Cun paschiun pella regiun – mit Leidenschaft für die Region

Peder Rauch

Peder Rauch auf dem Weg zum alten Silberbergwerk in S-charl.
Peder Rauch mit Gästen auf dem Weg zum alten Silberbergwerk in S-charl.
Das Leuchten in den Augen, das verschmitzte Lächeln sowie das scheinbar unendliche Wissen über die Region stecken einen förmlich an, wenn man Peder Rauch trifft. Er ist ein Engadiner Urgestein. Als ehemaliger Sekretär der regionalen Verwaltungsorganisation «Pro Engiadina Bassa» hat er bedeutende Projekte wie den Bau des Vereinatunnels begleitet und sich nachhaltig für die Region eingesetzt. Mit über 70 Jahren führt er noch voller Begeisterung und Elan Gäste durch das alte Silberbergwerk in S-charl. Seine romanischen, melodischen Lieder sind ein Stück Kulturgut und tragen zum Erhalt dieser wertvollen, bedrohten Sprache bei.  

Unter Tage

Zentimeter für Zentimeter schiebt sich Peder durch einen engen Seitenstollen des ehemaligen Bergwerks im abgelegenen S-charl. Die Luft ist dünn und der feine Staub flimmert im Schein der Stirnlampe, der einzigen Lichtquelle tief unter Tage. An manchen Stellen ist das kilometerlange Stollensystem so eng, dass ein Weiterkommen fast unmöglich erscheint. Es gilt, nicht die Orientierung zu verlieren in den mächtigen Gesteinsmassen des Mot Madlain. Zusammen mit einer Gruppe von Gästen begibt sich Peder auf die Spuren der ehemaligen Bergleute, die vor hunderten von Jahren nach Blei- und Silbererzen suchten. Was damals eine unvorstellbar harte und lebensgefährliche Aufgabe war, vermittelt Peder seinen Gästen auf sichere Art und Weise sowie mit einem beruhigenden Lächeln im inzwischen leicht angestaubten Gesicht.  

Auch mit über 70 Jahren ist Peder Rauch in den engen Seitenstollen vom ehemaligen Bergwerk in S-charl unterwegs.
Auch mit über 70 Jahren ist Peder Rauch in den engen Seitenstollen vom ehemaligen Bergwerk in S-charl unterwegs.
Seinen Gästen vermittelt er auf sichere Art und Weise die Geschichte der Bergleute in den Stollen des Mot Madlain.
Seinen Gästen vermittelt er auf sichere Art und Weise die Geschichte der Bergleute in den Stollen des Mot Madlain.

Dem Silber auf der Spur

Die Geschichte des Bergbaus in S-charl reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück. Die Bergleute, die grösstenteils aus Tirol kamen, haben unter Einsatz ihres teilweise kurzen Lebens vor allem nach Silber gesucht. Aus drei Tonnen Erz, dem ursprünglichen Mineralgemisch, konnten durch mühevolle Handarbeit, mit dem Einsatz von Schlegel und Eisen sowie später dem Gebrauch von Sprengmittel, rund 3 kg Blei und nur 30 Gramm Silber gewonnen werden.  
Das abgebaute Erz wurde mit Handkarren mühevoll über 350 Höhenmeter hinunter nach S-charl transportiert, wo es in den Verhüttungsanlagen aufbereitet wurde. Der Transport der fertigen Silber- und Bleibarren erfolgte schliesslich über den Pass da Costainas und das S-charler Joch ins Val Müstair und weiter bis nach Meran im Südtirol sowie später Hall im Tirol, wo Schmuck und Münzen hergestellt worden sind. Im 19. Jahrhundert erlebte der Bergbau seine Hochblüte, bevor es dann nach und nach ruhiger in den Stollen wurde und die Infrastruktur dem schleichenden Verfall überlassen worden ist.   

In den Stollen von S-charl.
Aus dem Erz wird das Blei und Silber gewonnen.

Bergbau und Bären

Heute lässt sich die Bergbaugeschichte von S-charl etwas entspannter im Museum «Schmelzra» erleben. Bevor dies möglich wurde, musste jedoch die damalige Ruine grundlegend renoviert werden. Um Subventionen zu erhalten, war die Gründung der heutigen Stiftung «Fundaziun Schmelzra S-charl» erforderlich. Diese wurde im Jahr 1987 vollzogen. Nach einer anfangs erfolglosen Suche einer verantwortlichen Person für die Stiftung stellte sich Peder Rauch zur Verfügung. Zusammen mit zahlreichen, freiwilligen Hilfspersonen und Auszubildenden wurde während zehn Jahren intensiver Arbeit aus der einstigen Ruine ein kleines, jedoch beeindruckendes und detailliertes Museum geschaffen, das 1997 eröffnet worden ist.  Die Besuchenden erhalten in den architektonisch attraktiv gestalteten Räumlichkeiten einen authentischen Eindruck vom vergangenen Silberabbau in S-charl.  

Und vom Bären. Die vom Schweizerischen Nationalpark gestaltete, erlebnisorientierte Bärenausstellung im gleichen Gebäude zeigt auf spannende Art und Weise die Lebensart der Braunbären. 1904 wurde übrigens nahe des Piz Pisoc, dem mit 3'173 m höchsten Berg des Nationalparks, der letzte Bär geschossen. Auch Peders Urgrossvater hat 1895 im Val Tavrü einen Bären erlegt.
Heute sind die Raubtiere streng geschützt und finden ab und an ihren Weg sogar wieder in das Engadin. Auch in S-charl werden manchmal Spuren der markanten Bärentatzen gefunden. Sichtungen hingegen kommen praktisch nicht vor, da sich der Bär grundsätzlich vom Menschen fernhält.  

Frühere Utensilien der Bergleute.
Frühere Utensilien der Bergleute.
Die Bärenausstellung im Museum Schmelzra.
Die Bärenausstellung im Museum Schmelzra.

Das abgelegene Dorf  

S-charl liegt herrlich ruhig in einem Seitental bei Scuol im Unterengadin. Erst in den 1960er-Jahren wurde eine Fahrstrasse für Autos und den Postautoverkehr errichtet, die auch heute nur von Frühling bis Winteranfang benutzbar ist. Im Winter ist der kleine Weiler nur zu Fuss oder mit einer romantischen Pferdeschlittenfahrt erreichbar. 
Peder liebt diese Ruhe und Abgeschiedenheit und hat das Glück, zusammen mit seiner Frau während den Sommermonaten dort leben zu dürfen. Von seinen Eltern erbte er ein Haus direkt am Wanderweg zur Alp Sesvenna und baute es mit seinen Söhnen liebevoll um. Gemeinsam mit seiner Frau bewirtschaftet er nun das kleine Hotel Garni und bietet Gästen einen Aufenthalt in absoluter Ruhe und Naturverbundenheit. Von dort aus unternehmen sie auch selbst Wanderungen zu den umliegenden Bergen, wie auf den Mot Madlain und in die angrenzenden Seitentäler.  

S-charl liegt sehr ruhig und abgeschieden in einem Seitental bei Scuol.
S-charl liegt sehr ruhig und abgeschieden in einem Seitental bei Scuol.
Das Museum Schmelzra im Val S-charl.
Das Museum Schmelzra im Val S-charl.

Cun paschiun pella regiun – mit Leidenschaft für die Region

An einem warmen Sommernachmittag sitzt Peder gerne auf einer Bank vor dem Haus, geniesst die wohltuenden Sonnenstrahlen und blickt mit glänzenden Augen und vielleicht auch etwas Wehmut auf seine Zeit als Sekretär des damaligen Regionalverbandes «Pro Engiadina Bassa» (heute «Regiun Engiadina Bassa/Val Müstair») zurück.  
1974 ist das Investitionsgesetz vom Schweizer Volk genehmigt worden, ein Massnahme für die Förderung der Berggebiete in der Schweiz. Das Unterengadin gehörte zu den gesamthaft 54 förderungswürdigen Regionen und kam in den Genuss dieser Förderung. 
Für Peders Heimat wurde darauffolgend ein Sekretär gesucht. Peder erhielt die Stelle und setzte sich während seiner Amtszeit massgeblich für zahlreiche Weiterentwicklungsprojekte ein, unter anderem die Einführung einer zentralen Abfalldeponie, den Aufbau einer Musikschule sowie einen Heilpädagogischen Dienst.  
An seinem zweiten Arbeitstag als Sekretär wurde das Projekt zum Bau des Vereinatunnels, der Eisenbahnverbindung zwischen dem Engadin und dem Prättigau, vorgestellt. Peder Rauch war von Anfang an in die Planungsphase involviert. Der geplante Bau stiess zu Beginn bei Teilen der Bevölkerung auf grosse Skepsis. Peder hat sich davon nicht beirren lassen und sich als hartnäckiger Förderer für die Verbindung ins Engadin und vom Engadin nach aussen eingesetzt. Rund 20 Jahre später wurde der Tunnel im Jahr 1999 feierlich eröffnet und bringt der Region seitdem zahlreiche Feriengäste mit der Rhätischen Bahn. 

Man muss für etwas kämpfen. Man muss nachhaltig für etwas kämpfen, sonst bringt man es nicht zustande.

Ständig in Bewegung: Peder kümmert sich um einen kaputten Bildschirm im Museum.
Ständig in Bewegung: Peder kümmert sich um einen kaputten Bildschirm im Museum.

Romanische Lieder

Als leidenschaftlicher Musiker «kämpft» Peder auch für den Erhalt der romanischen Sprache. Zusammen mit seinem Kollegen Flurin Janett gründeten sie «Ils Trubadurs Peder e Flurin», nahmen zahlreiche Tonträger auf und musizierten über 30 Jahre lang zusammen. Auch heute ist Peder, nun im Zusammenspiel mit Benedict Stecher, auf verschiedenen musikalischen Anlässen im Tal anzutreffen und nicht mehr wegzudenken. Mit viel Charme und auch Witz begeistern sie die Zuhörenden und tragen somit zum Erhalt des Rätoromanischen bei. Das Leuchten in Peders Augen ist dabei unverändert und drückt weiterhin seine Leidenschaft zur Region aus. 

Peder Rauch und Benedict Stecher auf dem Markt in S-charl.
Peder Rauch in Begleitung von Benedict Stecher auf dem Markt in S-charl.

Text & Bilder: Dominik Täuber.

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